Abdruck einer Ungewissheit

–> upcoming: Abdruck einer Ungewissheit (Wien), new jörg, 28.11.24 – 2.12.24, save the date!

Abdruck einer Ungewissheit (Hamburg)

Skulptur – Zeichnung – Licht – Klang

mit Miriam Hamann, Simone Kessler, Bärbel Praun, Evgenija Wassilew

Teil 1: Fotos: Maik Graef (außer Foto 3), Frappant Galerie, Hamburg, 2024

Wo liegen die Grenzen des Messbaren? Wo beginnen Instabilitäten und Unschärfen?
 Abdruck einer Ungewissheit vereint vier Positionen, die sich dem Versuch widmen, Unsichtbares künstlerisch zu begreifen und zu übersetzen. 
Auf konzeptuelle und sinnliche Weise loten sie Aspekte des Protokollierens und Verstehens aus und reflektieren und hinterfragen das menschliche Streben nach Kontrolle.

Drei Ausstellungen sind in Arbeit in den Städten, in denen die Künstlerinnen aktuel leben und arbeiten und zum Teil auch gelebt und gearbeitet haben – Hamburg, Wien und Berlin.

Die prozesshaften Arbeiten und ihre intermedialen Dialoge im Raum können so für jede Ausstellung an jedem neuen Ort erweitert und ortspezifisch weiterentwickelt werden. Später können durch das sich so erweiternde Netzwerk noch weitere Künstler*innen für grössere, co-kuratierte Gruppenaustellungen in den jeweiligen Städten hinzugezogen werden.

–> zur Edition (Auflage 30 + 4 AE), 2024

 

Bärbel Praun, Gefüge (01)
Objekt, Seegras, 85×100 cm, 2024

Seegras wächst in großen Unterwasserwiesen, die flache Teile des Meeresbodens bedecken. Es ist ein leistungsfähiges Ökosystem, das erst seit kurzem in den Fokus der Wissenschaft rückt: es bietet wichtigen Lebensraum für Fische und Schnecken, ist Nahrungsquelle für Vögel, schützt Küsten vor Zerstörung, und fungiert als Transportmittel an Land für andere Pflanzen sowie kleine Teile von Müll. Seegraswiesen binden effizient Kohlendioxid und werden weltweit in aufwändigen Renaturierungsprojekten neu gepflanzt.

 

Simone Kessler, Float
Zeichnung, 23,5 x 30,2 cm, 2023

Ein gekacheltes Objekt treibt an der Oberfläche.

 

Miriam Hamann, When days are getting longer
Objekt, Messing, 20×10 cm, 2022

Die Drehung der Erde um ihre Achse definiert unser natürliches Zeitmaß. Doch die Erdrotation unterliegt Schwankungen und so driften die international koordinierte Weltzeit und die durch die Erdrotation definierte Sonnenzeit minimal auseinander. Um dies auszugleichen, wird in unregelmäßigen Abständen am Ende eines Jahres eine Schaltsekunde hinzugefügt. Die skulpturale Arbeit hält dieses ephemere, auf den ersten Blick scheinbar unmögliche Momentum fest und hinterfragt dabei sowohl die Messbarkeit als auch die Systematisierung und Normierung des Konstrukts Zeit.

 

Evgenija Wassilew, Radio (News Listening)
Kugelschreibertinte auf Papier, 100 x 137 cm, 2020

Die gezeichneten Kurven, Kritzel, Linien und Flächen notieren wechselnde Wahrnehmungsebenen beim Hören des Nachrichtenradios – Empfindungen, Schwankungen der Aufmerksamkeit, Sprachmelodien und Tempo des täglichen
Informationsstroms. Ein mit einer Kugelschreibermine ergänzter, elektrischer Gravierstift wird wie ein zitternder Seismograf entlang eines Lineals geführt und verstärkt den zeichnerischen Impuls aus der Hand.

 

Motions of Mars, Miriam Hamann
Lichtinstallation, Neon, Transformatoren, Kabel, je ca. 80×20 cm, 2022

Motions of Mars greift das Phänomen der Planetenschleife auf – eine scheinbar retrograde Bewegung des Mars, die in Erscheinung tritt, wenn die Erde auf ihrer Innenbahn einen der äußeren Planeten überholt. Die Neonskulpturen zeichnen nicht nur den sichtbaren Weg des Planeten nach, sondern stellen auch die Frage, inwieweit das, was wir beobachten, automatisch die Wirklichkeit abbildet.

 

Distance to the Moon and Sun, Miriam Hamann
Prägedruck auf Büttenpapier, 40×50 cm, gerahmt, 2021

Distance to the Moon and Sun befasst sich mit historischen Skizzen zur Winkelmessung. Bereits in der Antike wurden Versuche unternommen, mithilfe dieser Methode mehr über Größe und Abstand von Gestirnen zueinander zu erfahren. Messungen der Dauer von Sonnen- und Mondfinsternissen sowie des Winkels zwischen Sonne und Halbmond dienten als Basis erster Berechnungen des Erdumfangs sowie des Abstands von Erde, Sonne und Mond.

 

subliminal sounding, Evgenija Wassilew
Monotypie und Handzeichnung auf Papier, je 42 x 59,7 cm, 2023

Die Zeichenserie subliminal sounding visualisiert den Versuch, eine intensive Klangempfindung durch die Kombination von Handzeichnung und Monotypie zu erinnern. Ein Geräusch wird wiederholt in Form von Tintentröpfchen auf Papier übertragen und durch gezeichnete Klangflächen ergänzt.

 

drawn from the air (L/R)

drawn from the air, Evgenija Wassilew
2-Kanal Soundinstallation am Fensterglas und im Doppelfensterinnenraum, variable Dimension, 2024

Die Klanginstallation drawn from the air kombiniert zwei Audioaufzeichnungen, die über analoge Kurzwellenradios im Atelier der Künstlerin empfangen und aufgezeichnet wurden. Während an der einen Fensterscheibe eine Überlagerung aus minimalen Morsezeichen ertönt, füllt die Aufnahme eines elektromagnetischen Felds den Raum mit fluktuierenden Frequenzen. Es entstand wahrscheinlich durch Interferenzen stromproduzierender Windräder auf dem Dach des Bahnhofs Südkreuz unweit des Ateliers, von dem aus die Radiowellen empfangen wurden.

 

Erdzeit, Simone Kessler
Grubenton (ca. 30 Millionen Jahre alt), Plastik, Stahlwannen, 2019, 140 × 90 cm

Für die Arbeit Erdzeit entnahm Simone Kessler Grubenton aus dem Westerwald. Das Alter des Tons wird auf etwa 30 Millionen Jahre geschätzt. Das ausgehobene Material kann dem Zeitalter des Tertiärs zugeordnet werden und ist mittlerweile vollständig abgebaut. Um seinen ursprünglich feuchten Zustand zu bewahren, wurde die Erde in Plastik vakuumverpackt und für die Installation auf Metallwannen platziert.
So wirft die Arbeit einen Blick zurück in die Tiefen der Zeit und hält den Zustand des Materials im Moment seiner Ausgrabung fest.

   

Ghost Net (Dolly), Bärbel Praun
Installation, Kunststoff-Fäden aus gefundenem, an Land gespültem Fischereimüll von der Nord- und Ostseeküste, 220 x 70 cm, 2024 (in process)

Als Geisternetze werden jene Fischernetze bezeichnet, die bei Stürmen verloren gehen oder aufgrund von Beschädigungen aufgegeben und entsorgt werden. Die oft mehrere hundert Meter großen Netze treiben im offenen Meer oder sinken auf den Meeresboden. Wie ursprünglich vorgesehen, fischen sie unselektiv und unsichtbar weiter. Jährlich fallen rund 48 000 Tonnen Geisternetze an, die lange Zeit in den Ozeanen verbleiben, bevor sie zu Mikroplastik zerfallen.

 

 

Special event

the blue hour, listening performance, Evgenija Wassilew

the blue hour ist eine Einladung zum Hören in der Performance wird der Moment des Sonnenuntergangs und das damit verbundene Phänomen des Radio-Fernempfangs erkundet. Die Performance konzentriert sich auf die räumlichen und zeitlichen Aspekte des Hörens und die akustische Wahrnehmung von Nähe und Ferne, Intimität und Distanz.