Mindmap
kunsthalle.ost, Leipzig, 2019
Die Ausstellung Mindmap fordert das Lesen, Schreiben und Hören aus verschiedenen Perspektiven heraus. Die ausgestellten Arbeiten beziehen sich auf Schriften des Dichters und Künstlers Antonin Artaud. Dieser verfasste 1925 das Buch „die Nervenwaage“ (le pèse-nerfs), in dem er das Schreiben und Denken – auch in Bezug auf das Unausdrückbare – an seine Grenzen stoßen läßt.
In der Ausstellung werden Auszüge aus dem Buch mehrmals abgeschrieben. Doch widersetzt sich dabei der Stift der schreibenden Hand: angeregt durch seine variierende Rotation schwingt die Mine, schlägt aus und manipuliert die im Begriff zu entstehende Schrift. Kontrolle und Widerstand stehen in Wechselwirkung zueinander und das Schreiben, an der Grenze zur Lesbarkeit, scheint sich vom Diktat des Textes zu befreien.
Gegenüber dieser Schreibaktion stehen weitere Notationen, die beim Lesen und Hören desselben Textes entstanden sind. Sie zeigen Linien, die mit einem zitternden Kugelschreiber entlang eines Lineals gezogen wurden. Die Bewegung des Stifts, animiert durch Impulse der zeichnenden Hand in Reaktion auf die lesende Stimme, erzeugt unterschiedliche Muster winziger Ausschläge. Die gezeichneten Kurven erinnern an das Gehörte und Gelesene, an die Entstehung von Klängen und Schwingungen des Zungenblatts.
Am Eingang des Ausstellungsraumes stehen die BesucherInnen vor einem Wandbild. Es zeigt Bilder durchgekauter Kaugummis, die massenhaft auf einer Wand im öffentlichen Raum hinterlassen wurden. Hier wird die Sprache zur Spur, zum Abdruck und Ausdruck abwesender Münder und ungehörter Worte, die nur noch in der Vorstellung des Betrachtenden existieren.
english text below
Mindmap
kunsthalle.ost, Leipzig, 2019
The exhibition Mindmap challenges reading, writing and listening from different perspectives. The exhibited works refer to the writing of the poet and artist Antonin Artaud. He wrote „Nerve Scales“ (le pèse-nerfs) in 1925, a work in which he exposes himself to an inner struggle, pushing writing and thinking to its limits – with regard to the inexpressible.
In the exhibition Artaud’s text is copied several times. But the pen resists the writing hand. Steered by a varying, rotating movement, the tip of the pen swings, strikes out and manipulates the writing about to be created. The interaction between control and resistance seems to free the written from the text and encodes the words at the border of readability.
In contrast to this action of writing, the exhibition shows other pieces of notation, inspired by the act of reading and listening to the same text. They show lines drawn with a trembling pen along a ruler. Guided by impulses of the hand, in response to the reading voice, the pen’s movement creates different pattern of minute deflections. The curves drawn in this way are reminiscent of what was heard and read, of the formation of sounds and vibrations of the speaking tongue.
At the entrance of the exhibition space, visitors stand in front of a mural. It shows photos of masses of chewing gums stuck on a wall in public space. Here, language becomes a trace, an imprint and expression of absent mouths and unheard words that only exist in the imagination of the beholder.